Von Michael Springer
Die Schausteller-Betriebe haben es nicht leicht in Berlin-Brandenburg! — Steigende Gebühren, Kampf um Aufstellplätze, Hadern mit Lärmschutz, Abfallrecht und Umweltauflagen, dazu Sicherheitsauflagen. Es gibt viele Gründe und wirtschaftliche Risiken, warum die Branche in Berlin-Brandenburg um das nacke Überleben kämpft. — Es sind immer Saisonbetriebe, die für jedes Fest viel Anstrengungen und Aufwände tätigen, Kapital, Fahrzeuge, Personal und Riesenfahrgeschäfte aufbauen. So muss jedes Fest immer auch wirtschaftlich gelingen.
Die Gründung der „Interessengemeinschaft Berlin-Brandenburgischer Schausteller (IBBS) e.V.“ im Jahr 2016 war der Versuch, namhafte, und z.T. seit mehreren Generationen im Schaustellerberuf tätige und in der Regel familiär geführte Betriebe und Kollegen zusammen zuführen.
— Es war war auch eine Reaktion auf einen Strukturwandel: Stadtfeste wurden in Berlin nicht mehr, wie im ländlichen Raum üblich, durch Kommune, Wirtschaftsförderung und Tourismusmarketing organisiert.
Eigene Veranstalter mussten die Generalunternehmer-Rolle schultern und mussten alle Auflagen und Risiken übernehmen und diese an die kleinen Standbetreiber und Fahrgeschäfte betriebswirtschaftlich weiterreichen.
Einer dieser großen Veranstalter in Berlin ist Thilo-Harry Wollenschläger, ein sympathischer Macher und inzwischen auch Urgestein der Branche, der viele Kleinbetriebe und Familienbetriebe des Schaustellergewerbes wirtschaflich am Leben und Überleben hält.
Die Corona-Pandemie hat alle Saisonbetriebe der Schausteller unvorbereitet getroffen, stillgelegt und viele Familienbetriebe in Verzweiflung gestürzt: Schausteller im zweiten Corona-Jahr: Fassungslos am Ende, hieß es am 17.12.2021 in einer Pressemitteilung.
Ob Neuköllner Maientagen, Britzer Baumblütenfest, Deutsch-Amerikanisches Volksfest, die traditionellen Volksfeste auf den zentralen Festplatz in Reinickendorf, der Veranstalter ist in Berlin stadtbekannt.
Die Interessen des Schausteller-Gewerbes sind über die Jahre immer mehr ins Hintertreffen geraten. Das Gewerbe scheint schlicht keine Lobby zu haben, fühlt sich mehr und mehr durch Vorschriften gegängelt.
Das einstige konstruktiven Interesse der Politik ist dabei fast erloschen, denn die Rummelplatz-Klientel zählt nicht zu den modernen Kernwählergruppen, um es vorsichtig zu sagen.
Aktuell befindet sich die Branche im Neustart-Modus. Viele Betriebe zahlen noch Kredite ab, einige sind sogar mit Rückzahlungen der Corona-Hilfen konfrontiert. Immerhin: das Rummelplatz-Publikum in Spandau hat offenbar einen großen Nachholbedarf.
Aktuell läuft in Spandau das „Family Wonderland“ gegenüber den Spandau Arcaden und verzeichnet einen guten Zuspruch beim Publikum. Auch der kommende 51. Spandauer Weihnachtstraum wird von Wollenschläger und den vielen über Jahrzehnte bewährten Standbetreibern ausgestaltet.
Doch wirtschaftlich ist das „Family Wonderland“ durch Genehmigungsauflagen ausgebremst.
Die Beschränkung der Öffnungszeiten bis 20:00 Uhr (montags bis donnerstags) macht einen wirtschaftlichen Betrieb für die Schausteller unmöglich. Dabei haben die Schausteller zahlreiche organisatorische und technische Maßnahmen ergriffen, um die Immissionen weiter zu reduzieren.
Die Forderung und der Kompromißvorschlag: „Um die berechtigten Interessen der Anwohner ausreichend zu berücksichtigten, sollte das Family-Wonderland montags bis donnerstags wenigstens bis 21:00 Uhr öffnen.
Die Genehmigungsbehörde im Zuständigkeitsbereich von Bezirksstadtrat Thorsten Schatz (CDU), Leiter der Leiter der Abteilung Bauen, Planen, Umwelt- und Naturschutz, blieb bei seinem Bescheid. Bei den Schaustellern baute sich erheblicher Unmut auf, weil die wirtschaftlichen Auswirkungen hart sind.
Besetzung von Büroräumen oder Vorsprache der Schausteller?
Am letzten Freitag, dem sprachen rund 70 Schausteller und Schaustellerinnen auf der Büroetage vor.
Das Bezirksamt sah dies als Besetzung an, und veröffentlichte dazu eine explizite Pressemitteilung am 20.11.2023 „Bezirksamt verurteilt Besetzung von Büroräumen.“
Bürgermeister Frank Bewig äußerte sich dazu sehr scharf:
„Das Bezirksamt Spandau ist fassungslos über diesen beispiellosen Übergriff. Es ist legitim Rechtsmittel gegen Bescheide einzulegen oder auch im Rahmen des Demonstrationsrechtes z.B. vor dem Rathaus seinen Unmut auszudrücken. Sich aber Zutritt zu Amtsräumen zu verschaffen und dort Mitarbeitende unter Druck zu setzen, überschreitet mehrere Grenzen, was wir nicht hinnehmen werden. Folgerichtig wurde noch am Freitag Anzeige wegen Hausfriedensbruch gestellt. Nach Auswertung der Ereignisse heute werden wir weitere rechtliche Schritte prüfen.“
In der Kommunikation ist es offenbar zu schweren Pannen gekommen, denn die Sicht der Schausteller ist eine ganz andere:
Die der hat sich heute in einer eigenen Pressemitteilung vom 22.11.2023 geäußert:
„Das Bezirksamt behauptet, es sei am 17.11.2023 zu einer Besetzung von Büroräumen
Rathaus Spandau gekommen. Diese Behauptung ist unzutreffend.
Anlass des Besuchs der Schausteller ist der Wunsch nach einem Gesprächstermin mit
dem Bezirksbürgermeister, Frank Bewig, um über die für sie existenzgefährdenden
Beschränkungen der Öffnungszeiten des Family-Wonderlands zu sprechen. Am Freitag
kam die spontane Idee auf, gemeinsam um einem solchen Termin zu bitten und das
Gespräch zu der unbefriedigende Genehmigungssituation zu suchen.
Hierzu machten sich ca. 70 Schaustellerinnen auf den kurzen Weg in das Rathaus.
Anders als vom Bezirksamt behauptet, war niemand „bewaffnet“. Tatsächlich kamen
die Männer und Frauen „von der Arbeit“. Sie waren unbewaffnet. Einige hatten ihre
Kinder oder behinderte Angehörige dabei.
Das Rathaus Spandau ist frei zugänglich. Der Wachschutz hat die Schausteller nicht
darauf hingewiesen, dass sie das Gebäude nicht betreten dürfen. Das Büro des
Bezirksstadtrat Schatz haben dann ca. 30 Personen betreten, nachdem sie aufgefordert
wurden, hereinzukommen.
Von einer „aufgebrachten Personengruppe“ kann dabei keine Rede sein. Wie man auch
auf diesem Foto sehen kann, war die Stimmung und Gesprächsatmosphäre
durchgängig friedlich und entspannt (siehe Foto).
Dabei wurden auch keine Mitarbeitende „unter Druck“ gesetzt. Tatsächlich war kein
kompetenter Ansprechpartner vor Ort. Deshalb wurde erneut um ein Gesprächstermin
gebeten. Soweit „betroffene Mitarbeiter“ sich beim Besuch der Schausteller unwohl
gefühlt oder die Situation als bedrohlich empfunden haben sollten, war das nicht die
Absicht der anwesenden Personen. Für das Hervorrufen dieses Gefühls bitten wir um
Entschuldigung.
Dass die anwesenden Personen tatsächlich nicht willkommen waren, wurde ihnen erst
von der eingetroffenen Polizei eröffnet. Einer „Räumung“ bedurfte es nicht.
Stattdessen haben die Schaustellerinnen das Gebäude ebenso friedlich verlassen, wie
sie es betreten haben, soweit nicht noch ihre Personalien aufgenommen werden
mussten.“

Michael Roden, Vorsitzender des konkurrierenden Schaustellerverbandes Berlin, erklärte sich aus der Ferne zu den Vorfällen im Rathaus Spandau: „Ein derart brachiales Vorgehen wie am vergangenen Freitag durch den IBBS um unseren Kollegen Wollenschlaeger schadet den Schaustellern insgesamt und hinterlässt uns mit Kopfschütteln.“
Das Bezirksamt Spandau hat gegen Mitglieder der Personengruppe noch am letzteh Freitag Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstattet, dazu gelte für sie von nun an ein Hausverbot. Außerdem ist in Folge einer Sondersitzung des Bezirksamts der Wachschutz des Rathauses verstärkt worden.
Wollenschlaeger selbst hält die Reaktionen für übertrieben, seine Personengruppe sei „höchstens mit Plüschtieren“ bewaffnet gewesen.
In der Pressemitteilung heißt es weiter: Wir gehen davon aus, dass sowohl der Vorwurf eines strafbaren Hausfriedensbruchs als auch einer „Verletzung von Persönlichkeitsrechten“ haltlos ist und sichern den Strafverfolgungsbehörden unsere Mitarbeit zu.
Die Auseinandersetzung geht nun in den „Verwaltungsgang“ — der Veranstaltungsbetrieb ist davon ganz unbeschwert. Die Show muss weiter gehen!
Vom 17.11.2023 bis zum 01.01.2024 findet das Family-Wonderland gegenüber der Spandau Arcaden statt. Mit spektakulären Fahrattraktionen und tolle Angeboten für Groß und Klein. Geöffnet täglich ab 13 Uhr.
Weitere Informationen:
www.wollenschlaeger-berlin.de