Samstag, 20. April 2024
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Auslaufmodell Lokalzeitung?

Auslaufmodell Lokalzeitung?

Kolumne: Michael Springer

Die Digitalisierung bringt Stadtgesellschaften in große Gefahr: „Democracy Dies in Darkness“, so brachte es die „Washington Post“ im Jahr 2017 auf den Punkt. „Die Demokratie stirbt in der Dunkelheit“ – wobei das Zeitungssterben und das fehlende Licht der Öffentlichkeit und die fehlende Kontrollfunktion freier Presse gemeint sind.

Seitdem gibt es eine weltweite Debatte um den möglichen bzw. vermeintlichen Niedergang des Zeitungsjournalismus.

Der Erfolg der digitalen Plattformökonomien von Google, Apple, Facebook und Amazon hat weltweit eine ökonomische Verwüstung in Presseverlagen, Regionalzeitungen und Lokalzeitungen befördert. Ganze Landstriche sind heute ohne eine eigene Lokalredaktion und ohne eine gedruckte Zeitung.
Aktuell gerät sogar die Süddeutsche Zeitung in Gefahr, und kündigt 50 Redakteuren auf einen Schlag.

Digital-Ökonomien haben sich bisher neu durchgesetzt. So informiert der sogenannte Qualitätsjournalismus heute mehr und mehr hinter Leser-Paywalls oder Newslettern.
Doch öffentliche Information nur noch für zahlende Eliten – ist das zukunftsweisend?

Zeitungen haben sich die Gesetze der Plattformökonomien zu eigen gemacht. Doch Zeitungen werden damit zu Datenstaubsaugern, die auch Browser-Daten und Leserverhalten „tracken“. Die EU-Datenschutz-Grundverordnung und die neue „Privacy first“-Politik setzen dem bald ein Ende. Es droht der massenhafte Zeitungstod!

Das fehlende „Licht der Öffentlichkeit“ eröffnet heute zudem jene Dunkelfelder, in denen Populismus, Gegenaufklärung und esoterische Wahnsinntheorien blühen. Auch wirtschaftliche Lobbies der Klimawandel-Leugner füllen das Internet mit Fehlinformationen. Uninformiertheit im Publikum und Desinformation sorgen überdies für immens steigende Kosten in Verwaltungen und öffentlichen Diensten.

Ausgerechnet die mit Heilserwartungen verbundene „Digitalisierung“ sorgt immer mehr für Zusammenbrüche der Verlagsgeschäftsmodelle lokaler und regionaler Zeitungen.

Ein Beispiel für die fatale Ökonomie: um eine lokale Recherche zu finanzieren, müssten zu einem einzelnen Thema 100 € – 2.000 € Personalkosten eingesetzt werden. Mindestens 163.930 Klicks werden aber benötigt, um etwa 100 € mit Google-Anzeigen zu erwirtschaften. Folglich ist Recherchejournalismus daher immer defizitär und definitiv „kein Geschäftsmodell“.

Lokalzeitungen sind daher womöglich ein Auslaufmodell!

Volkswirtschaftlich ist das hoch problematisch: Die einzig leistungsfähige digitale Plattform für lokale und regionale Wirtschaft ist die digitale Lokalzeitung! Moderne digitale Zeitung können für niedrigste Transaktionskosten in Marketing, Handel und Online-Marketing sorgen.

Verschwinden Lokalzeitungen, verschwindet auch die letzte Basis der sozialen Marktwirtschaft vor Ort!

Denn Investitionen in eigene Online-Strategien amortisieren sich im Nahbereich nur, wenn auch genügend Kunden ansprechbar sind.
Wenn jeder Händler die gleichen Anstrengungen für digitale Marketingreichweiten unternehmen muss, wie eine digitale Lokalzeitung, lohnt Digitalisierung nicht mehr! Der digitale Stillstand folgt dem Leerstand nach!

Auf dem Land ist das Verschwinden der gedruckten Lokalzeitung noch problematischer. Anläßlich der Schließung des Erfurter Druckhauses in Thüringen, hat das Medienmagazin „mdr 360G Medien“ das Thema aufgegriffen: Auslaufmodell Lokalzeitung.

Darin werden Probleme und mögliche Auswege besprochen. Auch eine staatliche Förderung wird angesprochen, die aber die Grundlagen der Pressefreiheit zerstören kann.

Die Zeit für grundlegende Innovationen reift nun heran!