Freitag, 19. April 2024
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Steigt die Spielsucht in Zeiten von Corona?

Pokerchips

Von Gesina Kunkel

Quarantäne und Lockdown, gestrichene Freizeitaktivitäten und auf das Minimum reduzierte persönliche Kontakte: Die Corona-Pandemie hat nicht nur dazu geführt, dass unser soziales Umfeld extrem vernachlässigt wird und der Austausch fehlt, sondern dass sich die Menschen auch vermehrt aufgrund der neuen Situation zuhause einigeln.

Der Gang zum Fitnessstudio fällt ebenso flach wie der Kinobesuch oder das gemeinsame Feiern am Wochenende. Der Ausgleich zum Homeoffice-Job findet wie der restliche Tag in erster Linie in den eigenen vier Wänden und damit für einen Großteil der Menschen auch online statt.

Immer häufiger greifen wir um Handy. Mobile Games erleben dabei einen regelrechten Boom. Besonders die virtuellen Spielhallen werden immer erfolgreicher und damit langsam zur Bedrohung für alteingesessene Casinos. Die Ellipse Spandau wurde durch Corona hart getroffen und hat sicherlich bereits im Frühjahr 2020 viele Zocker an die Anbieter im Internet verloren. Die Wiedereröffnung am 2. Juni 2020 unter strengen Auflagen war aufgrund des erneuten Lockdowns nur von kurzer Dauer und bot kaum Gelegenheiten, um die Umsatzverluste auszugleichen.

Wer zocken will, kann dies jedoch natürlich immer noch online tun. Doch Kritiker sind alarmiert: Wie wirkt sich der verstärkte Medien- und Spielkonsum auf Psyche und Gesundheit der Nutzer aus?

Tatsächlich ist zu befürchten, dass Corona die Zahl der Spielsüchtigen signifikant in die Höhe treiben wird, obgleich aktuell noch verlässliche Zahlen fehlen. Man geht davon aus, dass Jugendliche in besonderer Form gefährdet sind, da sie weniger selbstreflektiert sind und beim Zocken sehr stark nach Anerkennung und Erfolg streben.

Wie entsteht Spielsucht?

In grafisch toll aufgemachte Spielwelten einzutauchen und sich dort einen Wettstreit mit anderen Figuren zu liefern übt eine wahnsinnige Faszination aus. Viele sind davon begeistert, in Shooter-Spielen wild um sich zu ballern, eine andere Identität anzunehmen oder ihre Überlegenheit ausleben zu können, wie das eben im wahren Leben nicht möglich wäre.

Das Ganze hat viel mit Macht zu tun, weshalb Spielern mit negativer Selbstwahrnehmung der Aufstieg am Bildschirm so guttut, dass sie dieses Erfolgsgefühl immer und immer wieder brauchen. Doch nicht nur Videospiele, auch Online Casinos haben ein hohes Suchtpotenzial. Dabei spielt auch der Adrenalinkick eine große Rolle, da es um bares Geld geht. Sowie die große Hoffnung, doch endlich einmal den großen Gewinn einzufahren.

Welche Spiele machen süchtig?

Besonders das Battle-Game „Fortnite“ birgt eine Gefahr, da viel Aggression darin ausgelassen werden kann und man das erreichte Level verliert, wenn das Spiel frühzeitig abgebrochen wird. Auch die Tatsache, dass im Verbund einer Gilde gezockt wird, die man nicht enttäuschen will, steigert den Suchtfaktor. Ähnlich eingeschätzt werden „Counterstrike“, „League of Legends“ oder das bekannte „Minecraft“.

WHO-Kriterien für Spielsucht

Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert eine Spielsucht durch „entgleitenden Kontrolle bei Häufigkeit und Dauer Spielens, wachsende Priorität des Spielens vor anderen Aktivitäten und Weitermachen auch bei negativen Konsequenzen.“ Sprich die extreme Vernachlässigung des Alltags und ein unverhältnismäßiger Zwang gelten damit als deutliche Indizien.

Wie erkennt man Spielsucht?

Charakteristisch sind die folgenden Merkmale:

  • Ein immer stärkerer Kontrollverlust und die Unfähigkeit, selbstbestimmt Spielpausen oder spielfreie Tage einzulegen.
  • Im Falle von Online-Glücksspiel wird sich nicht mehr an zuvor festgelegte Einsatzgrenzen gehalten und bei Verlust dennoch Geld nachgeschoben. Die gesetzten Summen werden immer höher.
  • Das Spiel dient als Rundum-Ersatzbefriedigung für mangelnde Anerkennung, Frust im Job, Ärger in der Schule, etc.
  • Beim Zocken taucht der Betroffene so tief in die Spielwelt ein, dass seine Grenze zwischen Fiktion und Realität verschwimmen.
  • Der Spielsüchtige erfindet Ausreden, vernachlässigt Freundschaften und täuscht sein Umfeld bewusst, damit sein Problem unerkannt bleibt.
  • Die vor dem Computer verbrachten Stunden überschreiten eine vernünftige Höchstgrenze, verschieben den eigenen Tag-Nachtrhythmus und führen zu drastischem Schlafmangel.

Treten diese Merkmale auf, sollte umgehend gehandelt werden, denn es gibt bewährte Wege aus der Spielsucht.

Verzockt? Wie gelingt der Ausstieg?

Ein erster Schritt um sich selbst aus der Sucht zu befreien ist, die Situation nicht zu verharmlosen. Gefolgt von der klaren Einsicht, dass es so nicht weitergehen darf. In den meisten Fällen wird durch diesen bloßen Entschluss noch keine gravierende Verhaltensänderung eintreten, dazu ist die Verlockung oft zu groß, einfach weiterzumachen und den Ausstieg auf morgen zu verschieben.

Professionelle Hilfe ist daher oft vonnöten. Online werden Tipps gegeben, wie man sich alternativ ablenken kann, anstatt zu zocken. Es können sowohl telefonische als auch persönliche Beratungstermine wahrgenommen werden. Wichtig ist, jede Versuchung zu vermeiden und seinen Alltag klar zu strukturieren. Auch Gesprächsgruppen und psychologische Betreuung können eine große Unterstützung bieten bis hin zur Schuldnerberatung.

Weitere Informationen zur Spielsucht

Sämtliche Glücksspiel-Betreiber wissen selbstverständlich selbst um die Gefahr, sich zu verspekulieren und in Spielsucht zu verfallen. Die Anonymität der Spieler führt noch wahrscheinlicher dazu, die Kontrolle über die eigenen Finanzen zu verlieren und immer weiter Geld einzuzahlen, obwohl die Taschen eigentlich längst leer sind. Auf deren Webseiten werden daher Beratungsstellen veröffentlicht. Doch auch Zocker-Plattformen erkennen das Problem und verweisen auf die Suchtgefahr samt den entsprechenden Beratungsstellen.

Bundesweite Hilfsangebote und viele aufschlussreiche Informationen finden Betroffene und deren Angehörige außerdem auch unter check-dein-spiel.de. Hier kann im Zweifelsfall auch ein Selbsttest durchgeführt werden.

Neben der Spielsucht ist auch die Datensicherheit beim Zocken ein großes Thema, dem ausreichend Beachtung geschenkt werden sollte. Denn es ist erschreckend, wie gravierend sich vorhandene Lücken hier auswirken können.