Donnerstag, 18. April 2024
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Elon Musk übernimmt Twitter: Disruption für die Meinungsfreiheit der Social-Media-Eliten

Elon Musk übernimmt Twitter

Von Michael Springer

Elon Musk hat Twitter Inc. für rund 44 Mrd. Dollar übernommen, und muss den 2006 gegründeten Mikroblogging-Dienst nun in kürzester Zeit aus der Verlustzone führen. — Die Entscheidung, das Unternehmen von der Börse zu nehmen, war angesichts erwarteter Verluste von 700 Millionen Dollar für das Jahr 2023 völlig folgerichtig, denn ein massiver Wertverfall an der Börse wäre eingetreten.

Generell bricht das Geschäft der Plattformkonzerne aufgrund der krisenhaften Entwicklungen und im Gefolge der Energiepreiskrise ein. Die Werbeindustrie hält sich schon zurück, und warte auf neue attraktive Geschäftsmodelle, die Marken und Markenwert im positiven Sinne steigern.

Elon Musk ist nun alleiniger Besitzer von Twitter, mit einer einzigartigen Handlungsmacht, die lediglich mit einflussreichen Kreditgebern geteilt werden muss, die Elon Musk in dem Übernahmegeschäft mit an Bord genommen hat. Fast 13 Milliarden Dollar an neuen Krediten sind aufgenommen worden. Darunter komt auch Kapital aus dem Emirat Katar, das der arabischen Kultur und Sprache künftig mehr Geltung in der Welt verschaffen möchte.

Musk hat sogleich drastische Entscheidungen getroffen, und die Hälfte der Twitter-Mitarbeiter entlassen. Offenbar lässt sich die desolate Finanzlage des Unternehmens nur durch radikales „Cost-Cutting“ lösen.

Disruption: Meinungsfreiheit künftig nicht mehr kostenlos!

Musk verliert auch keine Zeit bei den Veränderungen, die Twitter künftig profitabel machen sollen. Es beginnt zunächst mit einem Abo-Modell für den blauen Haken auf Twitter-Profilen. Nutzer zahlen ab sofort acht Dollar für das Verifikationsabzeichen, das authentische Personen kenntlich macht. Der neue Dienst startet seinen Testlauf allerdings zunächst nur in bestimmten Ländern und Regionen, denn die Umprogrammierung kostet Zeit, Aufwand und vor allen nationale Anpassungen. Gestartet wird Der neue Dienst mit Verifizierung zunächst in den Vereinigten Staaten, in Kanada, Australien, Neuseeland und in Großbritannien.

Die auf „Kostenfreiheit“ eingeschworenen Twittergemeinden sind empört, denn nach ihrem Verständnis wird damit das bisher kostenfreie Internet „kommerzialisiert.“

Zudem verfolgt Musk auch weitergehende Pläne, den die Sichtbarkeit auf Twitter ist für viele Nutzer notwendig und bringt massive „geldwerte Vorteile.“ — Darunter sind große Marken und „Brands“, Mediaagenturen und vor allem Multiplikatoren, Prominente, Influencer und Journalisten, die Twitter für das „Reichweiten-Marketing“ einsetzen und brauchen.

Vor allem politsche Akteure, Parteien, Protestgruppen beziehen von Twitter ihre unerläßliche Aufmerksamkeit, und rekrutieren ihre Gefolge und Follower in Twitter-Debatten, Shitstorms und viralen Kampagnen.

Elon Musk will hier Umsatz erzielen, um Twitter zuerst kostendeckend zu betreiben und dann auch sehr profitabel zu machen.

Das amerikanische Technikportal und Mediennetzwerk „The Verge“ schrieb schon unter Berufung auf informierte Personen und interne Kommunikation, dass die Verifikation Teil einer neuen, teureren Blue-Version werden solle. — Twitter wolle dafür 19,99 US-Dollar im Monat verlangen. Software-Entwicklern sei dafür schon eine Frist bis zum 7. November gesetzt worden, die Funktion zu starten – oder sie würden gefeuert.

Elon Musk und die weitergehenden Pläne mit Twitter

In seinem Update für Apple Geräte sagte Twitter bereits, dass alle, die sich „jetzt“ für den neuen Service anmelden, das blaue Häkchen neben ihrem Benutzernamen erhalten, „genau wie die Prominenten, Unternehmen und Politiker, denen Sie bereits folgen“. Weitere Vorteile des Updates seien die „Hälfte der Anzeigen“, die Möglichkeit, längere Videos auf Twitter zu posten und eine bessere Platzierung für Inhalte mit hoher Qualität.

Das Geschäft von Twitter soll künftig um die Authentifizierung und Verifikation herum weiter aufgebaut werden, denn Identitäten, damit und verbundene Bankkonten und Kommunikationsdaten, sind der Schlüssel, um alle weltweiten Cloud-Technologien, Satelliten-Internet, autonome Fahrzeuge und noch kommende Schlüsselinnovationen des Internet der Dinge und der Internet der Sinne profitabel zu betreiben.

Allein eine mögliche Zusammenlegung der Authentifizierungs- und Verifikationssysteme von Tesla, Starlink und Twitter würde für einzigartige hochprofitable Plattform-Synergien sorgen.

Mit welchen Schritten es weitergeht, ist aktuell nur Elon Musk und den engsten Entwicklungsingenieuren bekannt. — Aber es gibt technologisch-ökomomische Logiken die mit großer Sicherheit dazu führen, aus einem Microbloggingdienst mit Zeichenbegrenzung einen weltumspannenden, orbitalen Mehrwertdienst zu bauen, der echtzeit-interaktive Dienste anbietet:

Mikroblogging — was kommt?
Vor rund fünf Jahren hatte Twitter seine maximale Zeichenbegrenzung von 140 auf 280 Zeichen angehoben. Der Microbloggingdienst begründete diesen Schritt damit, die öffentliche Diskussionskultur fördern zu wollen. Viele User haben die Änderung jedoch argwöhnisch beäugt, da Twitter sich mit der neuen Obergrenze von einem seiner Markenzeichen verabschiedet hat.
Die Ausweitung des Zeichenumfangs würde vor allem den weltweiten Pressemarkt durcheinanderwirbeln, denn der Übergang vom „Posten“ zum „Publizieren“ erfordert in der Folge dann weltweit Anpassungen an das jeweilige nationale Presserecht. — Es wird daher eher bei der Zeichenbegrenzung als Basisdienst bleiben.

Mit Twitter Notes könnte es jedoch weiter gehen. Die Nutzer:innen könnten dann umfangreiche Artikel erstellen, die sie anschließend via Tweet teilen können. — Doch alle urheberrechtsrelevanten Akteure und Journalisten und Verleger würden hier ihr Kerngeschäft mit Elon Musk teilen — das wäre wohl keine gute Strategie! — Ob mit Twitter Notes das bisherige 280-Zeichenlimit aufgegeben wird, ist eher fraglich.

Bilder und Video-Funktionen
Es deutet sich schon an: mit seinem Umbau des Kurznachrichtendienstes könnte Musk einen eingestellten Dienst wieder zurückholen: das Videoportal Vine. Musk fragte schon über seinen Account die Twitter-Nutzer, ob Vine zurückkehren solle. Die überwiegende Mehrheit sprach sich mit knapp 70 Prozent dafür aus. — Die Plattform zum Teilen von 6-sekündigen Filmclips war 2012 von Twitter übernommen und 2017 geschlossen worden. Der damaligen Grund: zu hohe Kosten. — Heute können Cloud-Kapazitäten im weltweiten Netz der Data-Center nach Bedarf dazugemietet werden. Twitter kann daher den Wettbewerb mit Facebook, Instagram und TikTok sehr gut aufnehmen. — Die kommenden Schlüsselinnovationen werden sicher die Phantasie der Werbekunden und Technologiepartner beflügeln: gekoppelt mit dem Satellitennetzwerk Starlink können künftig Fotos und Videos in „fastEchtzeit“ weltweit geteilt werden.

Elon Musk als Gefahr für die Meinungsfreiheit und Demokratie?

Elon Musk hat zur erfolgreichen Übernahme getwittert „Der ist Vogel ist befreit!“ — Damit hat Musk zu erkennen gegeben, mehr als bisher Meinungsfreiheit auf der Plattform zuzulassen. Musk erreicht nun rund 237 Millionen Menschen, das ist nur ein Bruchteil der Meta-Plattformen.
Doch die Befürchtungen sind groß, denn Elon Musk hat eine einzigartige, weltumspannnende, überstaatliche „Technosphäre“ aufgebaut:

  • Tesla als Mobilitätskonzern mit Entwicklung autonomer Fahrzeuge.
  • Tesla Energie mit Solarstromanlagen,Speichersystemen und Fahrzeug-Akkus.
  • das Satelliten-Internetnetzwerk Starlink, das zu SpaceX gehört.
  • Twitter als Medium mit großen Einfluss auf Twitter-öffentliche Debatten.

Am gleichen Tag wie die Twitter-Übernahme, trat in der EU der „Digital Services Act“ (DSA) in Kraft, der Anbieter wie Twitter auf die Einhaltung rechtlicher Standards verpflichtet. Die Grundrechte der Nutzenden sind künftig zu beachten und die Maßnahmen und Eingriffe in die Meinungsfreiheit, etwa bei Hass-Reden und strafbaren Inhalten sind transparent machen.

Der DSA regelt u.a. gemeldete Beschwerden über potenziell rechtswidrige Inhalte. So müssen Sachgründe für alle Lösch- oder Sperrentscheidungen genannt und diese gegenüber den Nutzenden spezifisch begründet werden. Für Dienste wie Twitter muss dazu ein internes Beschwerdemanagementsystem geschaffen und systemische Risiken müssen über enge Vorgaben minimiert werden. Verstöße können mit Geldbußen bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes geahndet werden.

Die direkte Gefahr für die Demokratie geht übrigens von den Nutzenden selbst aus, die andere Nutzende sperren und von ihren Kreisen aussperren können, und so „hypersoziale kommunikative Lobbies“ bilden.

Ausgrenzung und stille selektive Interessenvertretung, um politische und gesellschaftliche Positionen und Auseinandersetzungen in jeweiligen eigenen Sinn voranzutreiben, ist zumindest auch als Ursache für die Entstehung von Informationsblasen, Erregung, Wut und Populismus „in soziale Netzwerke“ mit eingebaut.

Ein Ort für „herrschaftsfreie Diskurse“ und wahrhaft und faire Auseinandersetzungen, Aufklärung und konstruktive Ideen ist Twitter nur bei jenen Akteuren, die sich inhaltlich fokussieren, und Dinge und Argumentationen aus Erkenntniszwecken und transparenten Absichten betreiben.

Die scheinheiligen Kritik aus den politischen Social-Media-Eliten kann getrost ignoriert werden, denn deren führende Akteure ignorieren von Anbeginn den fehlenden Zugang „armer und ungebildeter Menschen,“ und betreiben ihre Twitter-Politiken und Geschäfte ganz locker über andere Menschen hinweg.

Lobbycontrol dagegen spricht aktuell das grundsätzliche Zivilisationsproblem an: „Die Macht von Superreichen wie Elon Musk ist eine Gefahr für die Demokratie“ (Felix Duffy, Max Bank | 1.11.2022).

Die existierenden Probleme mit einem grassierenden Populismus, mit Radikalisierung und Hass dürften sich durch die neuen Regeln des DSA und die „blauen Häckchen“ jedoch klar verringern!

Faktisch entstehen mit dem Wirken von Elon Musk neue große Chancen für die „Weltzivilisation“ — denn es muss mit „nur einer Person“ verhandelt werden, und nicht mit einer ganzen chaotischen Schar von Autokraten, Diktatoren, Investoren und unentschlossenen und ggf. unfähigen nationalistischen Regierungen!